Gedanken, Ozeanien
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Unsichere Zeiten

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Seit einigen Tagen fühle ich so ein Gefühl der Schwere, irgendetwas Bedrückendes das ich nicht weiter benennen kann. Ich versuche Erklärungen dafür zu finden, drehe mich aber mit meinen Gedanken im Kreis. In wenigen Tagen werde ich Auckland verlassen und ein neues Kapitel auf meiner Reise aufschlagen. Genau sieben Wochen habe ich hier verbracht. Sieben Wochen, die mir rückblickend gleichermaßen kurz wie lang erscheinen. Ich habe hier mein Lager aufgeschlagen. Dazwischen bin ich gereist, habe einen Job gefunden und ihn wieder verloren, habe neue Freunde gefunden und Gesichter wieder vergessen. Unterwegs ändert sich die Art, wie stark man Augenblicken eine Bedeutung beimisst. Heute ist alles wichtig, morgen ist alles vergessen was wichtig war.

Heute bin ich auf den hügeligen Straßen gelaufen, immer geradeaus, ohne Ziel. Wenn man weiß, dass man einen Ort vielleicht zum letzten Mal sieht, bekommt dessen Wahrnehmung eine ganz neue Qualität. Ich beobachte die seltsamen Blumen, wie sie hinter dem weiß getünchten Zaun im Wind schaukeln. Ich studiere die aufwendig dekorierten Fassaden der kleinen viktorianischen Häuser. Stelle mir vor, auf der Veranda im Schaukelstuhl zu sitzen und Zeitschriften zu lesen. Aus dem Schulgebäude strömt eine Handvoll quirliger Kinder in blau-weißen Schuluniformen. Es sind nur noch wenige Meter bis zum Strand. Ich kann das Salz in der Luft riechen und der Wind trägt hier und da den Geruch von Algen und nassem Sand zu mir.

Irgendetwas hat das Meer an sich, das mich jedes Mal innehalten lässt. Wenn ich aufs Meer blicke, gibt es nicht viele Worte zu verlieren. Es genügt einfach dazustehen, seine Kraft auf sich wirken zu lassen, den Wind zu spüren und das Spiel der Wellen zu beobachten. Auf Reisen habe ich einige meiner denkwürdigsten Momente erlebt angesichts der Kraft dieses Elements, das so wunderschön wie gnadenlos sein kann. Während die Wellen ans steinige Ufer schlagen und hellgraue Gicht ans Land spülen, treiben meine Gedanken aufs Meer hinaus wie ein ins Ungewisse segelnde Schiff.

Ungewissheit. Vielleicht ist es das, was mich derzeit bedrückt. Nicht zu wissen, was danach kommt. Nicht einmal zu wissen, wo ich nächste Woche schlafen werde. Jetzt reise ich, lebe in den Tag hinein. Zuhause geht das Leben ohne mich weiter. Ich lebe hier in meiner eigenen Welt, die nur für mich existiert und die denen daheim verwehrt bleibt – selbst wenn ich mir größte Mühe geben würde, sie zu beschreiben. Während ich nur damit beschäftigt bin, Pläne für die nächste Woche zu schmieden, vergehen ganze Jahreszeiten.

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